Gespräch mit Herrn Jauernik
am 19. April 2002 in seiner Wohnung

Lieber Herr Jauernik,

Sie sind der letzte Zeitzeuge, der über die Firma Zehetner noch berichten kann. Sie haben quasi "ihr ganzes Leben" in dieser Firma verbracht, haben sie entscheidend geprägt und nach der Pensionierung meines Vaters auch noch geleitet.

Was sind Ihre Erinnerungen an diese Zeit?


"Wie du ja weißt, hat dein Vater das Geschäft 1938 gegründet, ich kam aber erst 1940, direkt von der Schule. Ich war damals 14 Jahre alt. Der Ing. Zehetner war zu der Zeit nicht da, er war eingerückt, die Firma leitete seine erste Frau. Erzeugt haben wir damals nichts, wir haben nur Zerdik-Geräte repariert und ein bisschen verkauft. Die Landesregierung Niederösterreich hatten wir auch als Kunden, wir haben ihnen Autoradios eingebaut, repariert und verschiedene andere Dinge für sie erledigt. Der Chauffeur ist meistens gekommen, hat das Auto bei uns stehen lassen, wir haben repariert und dann hat er den Wagen wieder geholt.

Im Jahr 42 hat mich der Chauffeur eines höheren Beamten der Landesregierung abgeholt, wir fuhren zu ihm hinaus und ich habe dort einen Radioapparat repariert. Bei der Rückfahrt stießen wir auf der Wientalstraße mit einem Lastwagen der Luftwaffe zusammen, wobei ich einen Schädelgrundbruch erlitt, der mich aber dann vor dem Einrücken bewahrte. Dadurch war ich auch während des Krieges die ganze Zeit in der Firma.

Im Jahr 43 haben wir Wehrmachtsaufträge bekommen und dein Vater wurde deshalb "UK" (unabkömmlich) gestellt und vom Militär entlassen. 1944 habe ich dann schon Bastelsätze mit Kassetten und allem Anderen zusammengesetzt. Im Jahr 45 haben mich dann über Nacht die Russen geholt und ich war zwei Jahre in Gefangenschaft in Zarnsdorf (bei Scheibbs, NÖ). Ende 1947 - Anfang 1948 bin ich dann nach Wien zurück gekommen.

Zu dieser Zeit lief schon die Produktion der ersten Standgeräte und ich traf auch auf eine Gruppe neuer Mitarbeiter: Der Hauptkonstrukteur war der Ing. Leo Bergmann, der war eigentlich als Erster da. Im Büro war der Herr Bräuer, der zuerst alles Schriftliche und Kaufmännische alleine gemacht hat. Später ist die Frau Zinner dazugekommen, die ihm die Buchhaltung abgenommen hat. Der Ing. Drasner war für das Mechanische zuständig und der Ing. Egerer war der Betriebsleiter. Das waren alles Freunde, der Drasner, der Egerer und der Bräuer waren auch Musiker und haben zusammen in einer Kapelle gespielt. Der Bräuer war Trompeter. Die waren also alle schon da, wie ich aus der Gefangenschaft zurück gekommen bin. Ich habe dann immer mit Ing. Bergmann als dessen "rechte Hand" zusammengearbeitet und viel von ihm gelernt.

An Details von Apparaten vor meiner Rückkehr kann ich mich kaum mehr erinnern, ich war daran ja nicht beteiligt. Von den Folgenden fällt mir spontan der "Brillant" und der "Onyx" ein. Der Onyx war der erste, der eine lackierte Kassette hatte. Die vorher waren alle furniert. Bei all diesen Geräten hat sich bei den Innereien ja nicht so viel geändert, es wurde halt laufend verbessert und dazu gab es immer neu gestaltete Kassetten. Bei den Standgeräten hatten wir schon öfter mehrere Modelle gleichzeitig laufen, bei den Portables dann nicht mehr.

Wie dann so um '50 herum die Portables aktuell wurden, haben wir uns gleich voll "draufgeschmissen" und waren, glaube ich, mit dem UB60 sogar die ersten mit einem tragbaren Universalempfänger. Der ist auch gut gegangen, der hatte ja einen Riesenlautsprecher. Hat sich auch gut verkauft. Auf der Wiener Messe waren wir auch immer vertreten, wir haben immer nur dort ausgestellt. Auf der Linzer Radioschau, von der du mir Bilder gezeigt hast, waren wir mit Sicherheit nicht, den Stand hat der Rieseneder selber aufgebaut.

Wir waren immer bestrebt, pro Jahr ein neues Modell heraus zu bringen, das wir dann auf der Messe vorgestellt haben. Es ist auch vorgekommen, dass mancher Apparat trotzdem nicht erzeugt wurde. So z.B. der "UB62 Luxus", von dem es schon Prospekte gab, das Publikumsinteresse aber nicht da war oder der "Frohsinn Junior" mit eingebautem Plattenspieler. Das war so eine Idee von mir, dass man das Radio mit einem Plattenspieler kombiniert. Einen habe ich gemacht und der war auch auf der Messe ausgestellt. Warum er nicht erzeugt wurde, weiß ich nicht mehr genau. Entweder war da der Stuzzi mit so irgend etwas Tragbarem mit Plattenspieler, aber wahrscheinlicher ist, dass das Kundeninteresse nicht da war. Funktioniert hat er auf alle Fälle. Er hatte so ein kleines Laufwerk, ich weiß gar nicht, wo wir das herbekommen haben. Wir haben so viel selbst gemacht, aber das bestimmt nicht. Das Federwerk war zum Aufziehen, einen Prototyp mit Strom hat es sicher nicht gegeben.

Ein großer Erfolg war dann der "Frohsinn Piccolo", es war der erste Apparat, an dem ich entscheidend mitgearbeitet habe. Darum habe ich auch spontan um diesen Apparat gebeten, als du mich gefragt hast, welchen du zum Gespräch mitbringen sollst. Die Form stammt von mir und auch am guten Lautsprecher bin ich beteiligt. Nach diesem Riesenerfolg ist es dann leider bergab gegangen, weil wir da einen (General)Vertreter hatten, ich will keine Namen nennen, der auch kassieren durfte und das vollste Vertrauen des Chefs hatte. Er war äußerst tüchtig und hat auch riesige Aufträge gebracht. Er ist über Land gefahren und war in ganz Österreich unterwegs. Er muss Riesensummen unterschlagen haben, dein Vater war da für mich unverständlich großzügig. Er hat ihn anscheinend zu wenig kontrolliert. Aber Genaues weiß ich nicht, ich habe das alles nur so nebenbei mitbekommen. Aber es ist schade, wir haben uns von diesem Schlag nie mehr erholt.


Anm.d.Verf.: Den kompletten Untergang der Firma verhinderte nur der große finanzielle Einsatz meiner Mutter, die so in dankenswerter Weise das Lebenswerk meines Vaters "rettete".

Auf welche Weise mein Vater diese Unterschlagungen bemerkte, erfuhr ich selbst erst vor ein paar Wochen in einem Gespräch mit der besten Freundin meiner Mutter: Wir waren damals am Wochenende irgendwo in Niederösterreich unterwegs und hatten eine Autopanne. Während sich mein Vater um die Reparatur bemühte, rannten mein Bruder und ich in der Ortschaft herum und meldeten stolz: "Wir haben in der Auslage ein Radio von dir gesehen!". Worauf er meinte, das sei unmöglich, hierher sei nie geliefert worden. Er musste aber leider feststellen, dass wir uns nicht geirrt hatten.

Luise Zehetner 1915-1985


Wir hatten also die großen Aufträge für den "Piccolo", aber kein Geld, um Material zu kaufen! Dazu kam noch, dass wegen der schlechten finanziellen Lage alle Herren Ingenieure sofort die Firma verlassen haben. Dein Vater hat damals zu mir gesagt: "Wenn du jetzt auch gehst, dann habe ich niemanden mehr". Ab diesem Zeitpunkt war ich alleine dort. Die schlechte finanzielle Situation war für mich nicht so tragisch, weil ich damals noch ungebunden war.

Aber trotzdem haben wir den Piccolo weiter erzeugt, wir haben kleinweise Material gekauft, die ZF-Transformatoren und die Drehkondensatoren bei Philips, wobei wir aber alles bar bezahlen mussten, weil Philips von unseren Schwierigkeiten gehört hatte. Dadurch haben wir auch nicht solche Riesenmengen erzeugt, wir haben aber trotzdem sehr viele Geräte hergestellt. Die Apparate haben sie uns aus der Hand gerissen, sie sind mit dem Geld in der Hand gekommen, alle wollten einen. Der Piccolo war ein Riesenschlager.

Der nächste war 1954 der "Allround", den habe ich dann schon alleine gemacht. Um preiswert zu sein, waren die Gehäuse der nachfolgenden Portables aus einer Art starkem Karton. Da war kein Holz mehr dabei. Überzogen wurde das dann mit einer Art Plastik. Aber es wurde immer schwieriger. Erstens hatten wir keine Geldreserven, wir lebten so zu sagen "von der Hand in den Mund", was eine bereits sicher scheinende Geschäftserweiterung (Räumlichkeiten im Bezirk waren schon gefunden) unmöglich machte und zweitens zogen die großen Firmen jetzt nach und bauten auch immer kleinere Geräte. Der Unterschied zu uns war, dass diese Firmen erzeugungsmäßig auf mehreren Beinen standen, wir aber nicht.

Der "Darling" verkaufte sich auch ganz gut, der "Piccolo-Autosuper" war ein Nachkomme vom Darling, so zu sagen: "Der Darling im Blechgehäuse". Da habe ich für die Autoantenne eine Verlängerungsspule gemacht. Dann ist noch der "Brillant" gekommen und mit dem "Bambi" war's dann aus. Bei ihm haben wir die Z-Trafos und alles selbst gemacht, als Parallelkapazität habe ich 1500 Mikrofarad gegeben. Die Spulenkerne haben wir aus Deutschland bezogen. Und er war der erste, der wirklich ein komplettes Bakelitgehäuse hatte und es war der letzte Apparat, den wir gemacht haben. Die Kassette und auch die verschiedenen Überzüge hat die Fa. Beran gemacht. Wir wollten damals etwas machen, was der Zeit entsprochen hat. Alle sind immer kleiner geworden. Der Bambi war aber im Vergleich doch noch relativ groß, aber um einen gescheiten Ton herauszubringen, braucht man doch einen gescheiten Lautsprecher.

Dann ist nichts mehr gegangen. Wir waren am Ende unserer Möglichkeiten und sind erzeugungstechnisch und finanziell nicht mehr mitgekommen, wir hatten keine Chance mehr. Die Prüfklemmen haben wir weiterhin erzeugt, auch ins Ausland, bis nach Amerika, wir haben dann Musikschränke gemacht und natürlich alte Geräte repariert. Nachdem uns der Hirschmann in Deutschland die Klemme kopiert hat, haben wir die anderen beiden patentieren lassen. Wer hätte von Haus aus wissen können, dass die Klemme so ein Erfolg wird?

Das Geschäft ist immer schlechter gegangen und war dann 1986 nicht mehr zu halten. Wir haben die Maschinen so gut es ging abverkauft, einen Abverkauf an Radiogeräten hat es nicht gegeben. Die Prüfklemmensache haben wir gemeinsam mit den Maschinen der Firma Beran weitergegeben. Dein Vater ist dann Ende November verstorben und im Dezember haben die Frau Scharl und ich das Geschäft endgültig geschlossen. Die Frau Scharl ist in der Zwischenzeit auch schon verstorben.



Ich komme jetzt zu weiteren Detailfragen, die teilweise aus Sammlerkreisen kommen.

Wer hat die Kassetten entworfen?

Unser Designer war ein gewisser Fritz Schneider, der auch schon verstorben ist. Von Beruf war er Grafiker und hat für uns alle Apparate entworfen, von den Standgeräten bis hin zu den Portables. Natürlich haben wir alle unsere Ideen eingebracht und darüber diskutiert. Es ist immer gesprochen worden: Was wollen wir? Wie geht was am Besten? Was machen wir? Alle haben ihre Ideen eingebracht, der Chef, der Drasner, der Bergmann, der Egerer, usw. Der Bergmann und ich haben das schließlich umgesetzt. Dein Vater war mit dem Organisatorischen sehr ausgelastet, das Elektrische haben wir gemacht. Wir haben ein Konzept erarbeitet und den Prototyp habe dann ich gemacht. Nach den finanziellen Schwierigkeiten und dem Exodus der Ingenieure waren nur noch der Chef, der Herr Schneider und ich zuständig. Er hat natürlich auch alle Printwerbungen, Prospekte etc. gemacht.

Wie hat der Entwurf begonnen? Mit dem Innenleben oder der Kassette?

Wir haben immer zuerst die Innereien gebaut, man musste zuerst sehen, wie groß alles wird. Erst dann haben wir uns mit der Kassette beschäftigt, die dann so klein wie möglich gemacht wurde.

Wer hat die Kassetten gebaut?

Das war die Fa. Cechota, eine Holzfirma und Großtischlerei im 6. Bezirk in der Webgasse, die auch für andere Firmen, z.B. für Minerva, Kassetten gebaut hat. Das Holz haben sie hochfrequenzmäßig gebogen. Die haben alle Kassetten, auch die für die Portables gemacht.

Den "Piccolo", den du mir da gerade zeigst, habe eigentlich ich gemacht. Ich habe ein Vierkantholz, das so groß wie der Innenraum des Apparates war, auf meine gewünschte Form abgerundet und auf eine Bodenplatte geschraubt. Der Länge nach habe ich dann so viele Furniere darüber gewickelt und verklebt, bis die Schicht ca. 4-5 mm stark war. Es war mühselig, ich habe das mit einem Blech zusammengezogen. Dann habe ich den "Kern", dieses Vierkantholz, herausgenommen. Die erste Furnierschicht hatte unten natürlich keinen Kleber, sonst hätte ich das Model ja nicht herausbekommen. Außen habe ich 2 Sperrholzplatten als Vorder- und Rückseite aufgeleimt und ebenfalls mit der Feile abgerundet. In diese Platten wurden dann die notwendigen Ausnehmungen für den Lautsprecher, die Skala usw. gemacht. Zum Schluss habe ich das Ganze mit einer Kreissäge aufgeschnitten. Die Firma Cechoda hat ihn dann so erzeugt. Wahrscheinlich hätten die das auch nicht anders gemacht, ich habe das aber nicht abgeschaut, sondern mir selbst ausgedacht, denn in die Werkstatt bist du dort nicht hineingekommen. Furniere werden sie nicht genommen haben, sie werden sicher gleich ein Holz hochfrequenzmäßig gebogen haben. Natürlich war bei dem Ganzen auch der Herr Schneider beteiligt. Wir haben zusammen auch die Skala und das ganze Andere entworfen.

So ab 1954 herum hatten wir dann für ein paar Jahre sogar eine mechanische Werkstätte im 7. Bezirk in der Kirchengasse, zwischen der Neustift- und der Burggasse, das war ca. 200 Meter entfernt. Dort war ein Tapezierergeschäft und eine Tischlerei. Der Tischler, Herr Grüneis, war stark verschuldet, hat uns die Werkstatt zur Verfügung gestellt und für uns gearbeitet. Dafür haben wir Zug um Zug seine Schulden bei der Krankenkassa etc. bezahlt. Er hat dann auch Holzkassetten für uns gemacht, natürlich nicht in großen Mengen. Hauptsächlich wurden aber mechanische Sachen, Drehteile usw. dort erzeugt. Die Fa. Cechota war aber nach wie vor unser Hauptlieferant. Da fällt mir noch ein, dass es noch eine Firma gegeben hat, die uns zeitweise diese Kartonkassetten gemacht hat. Die haben dann interessanterweise auch die Holzkassette des "Darling" gemacht. Das war ein Koffergeschäft in der Neudeggergasse 7, also gleich neben uns.

Die Tischlerei Grüneis war in dem Kellerlokal in der Kirchengasse Nr. 41, in dem sich heute (2003) das Billardcenter "KÖÖ" befindet und das "Koffergeschäft" in der Neudeggergasse 7 war die Fa. Boniakowski, die auch in der Burggasse Nr.36 Lokalitäten hatte. Herr Boniakowski war Besitzer des Hauses Neudeggerg. 7 und wohnte auch dort.

Konnte man die Baukästen auch bereits fertig montiert kaufen?

Ja, schon. Aber das waren wirklich Ausnahmen.

Wurden Teile der Geräte in Fremdfertigung gegeben?

Nein, alle "Innereien" haben wir selbst gemacht. Wir haben die ZF-Transformatoren, die Aggregate gemacht, das war eigentlich meine Arbeit. Auch Spulen haben wir selbst gewickelt. Verschaltet wurde das Ganze dann von Frauen. Den Prototyp habe meistens ich verschaltet, also: Bestimmte Länge der Drähte, Kondensatoren, Widerstände usw.

Was wurde zugekauft?

Die Lautsprecher haben wir zugekauft. Bei den größeren Apparaten so bis zum UB63 Junior haben wir beim Henry gekauft. Ab dem "Piccolo" dann bei der Fa. Richter aus Klosterneuburg, wobei wir (aber hauptsächlich auch wieder ich) teilweise bei der Entwicklung selbst mitgearbeitet haben. Ing. Richter hat uns für den "Piccolo" einen eigenen Lautsprecher gebaut. Dafür habe ich ihn fast ein Jahr lang gequält, es ging um die Aufhängung, die Membran usw. Er hat dann einen speziellen Magnet mit sehr viel Gauß gebracht, so genau kann ich mich auch nicht mehr erinnern. Vorher hat er unzählige Modelle gemacht. Aber dann hatten wir wirklich das, was wir wollten und darum ist der Apparat ja dann auch so gut gegangen, das stabile Holzgehäuse zusammen mit diesem Speziallautsprecher. Damit hatten wir einen Riesenerfolg, es war ja der "erste Kleine". Und - bei ihm haben wir erstmals die kleinen ZF-Transformatoren von Philips genommen. Unsere waren zu groß dafür. Ich glaube, später haben wir beim "Darling" auch wieder Lautsprecher von Henry genommen. Warum, weiß ich nicht mehr.

Ab dem nächsten, dem Allround, haben wir die ZF-Transformatoren und Drehkondensatoren nicht mehr selbst gemacht, sondern kleine gekauft. In den früheren Modellen, den UB60, UB61, UB62 usw. waren noch unsere eigenen drinnen. Ab dem Piccolo nicht mehr. Skalen usw. haben wir natürlich auch gekauft, so eine Skala wurde geeicht und dann gedruckt. Wer das gemacht hat, weiß ich nicht mehr, auch nicht, von wem die Schriftzüge usw. sind.

Wurde in der Werkstatt alles selbst zusammengebaut oder wurden auch halbfertige Sachen genommen?

Keine halbfertigen Sachen, wir haben alles selbst gemacht, geschaltet, abgestimmt, usw.

Ergeben die Gerätenummern eine chronologische Abfolge der Produktion? Eigene Nummernkreise für bestimmte Typen?

Nein, eigentlich nicht, so viel ich weiß. Wir haben ja konstant jedes Jahr einen neuen Apparat herausgebracht. Immer zur Frühjahrsmesse war ein neues Gerät da. Eine chronologische Abfolge war es nicht.

Wie sind die Gerätebezeichnungen zu Stande gekommen?

Dazu kann ich wirklich nichts sagen. Natürlich steht "U" für Universal, "B" für Batterie usw. Aber die Zahlen? Die Reihenfolge stimmt oft nicht, manchmal fehlen Zahlen. Warum sie das so gemacht haben, weiß ich nicht, ich war da nicht beteiligt. Ich würde es selbst gerne wissen.

Wer konstruierte die Schaltungen?

Bis zum Piccolo der Ing. Bergmann. Nachdem dann alle gegangen sind, habe ich sie gemacht.

Wurde nach Bedarf oder auf Lager produziert?

Nach Bedarf. Früher war es ja sehr schön. Du bist auf die Messe gegangen, die Großhändler sind gekommen und haben dir Aufträge gegeben, meistens auch eine Anzahlung von ca. 50% und erst bei der Lieferung ist dann der Rest bezahlt worden. Ab Mitte 50 hat es einen starken Großhandel gegeben, der alles in der Hand gehabt hat. Früher, als das noch nicht so war, haben wir natürlich auch mit dem Vertreter selbst verkauft, aber dann eigentlich nicht mehr. Außer, wir waren durch die Großhandelsaufträge noch nicht voll ausgelastet und hatten noch Kapazitäten frei. Aber das war kaum der Fall. Die Großhändler haben immer alles verkauft, es ist nichts zurück gekommen, außerdem hätten wir die Apparate nicht wieder zurück genommen, das war nicht vorgesehen. Nicht so wie heute.
Das musste alles in der Zeit zwischen Frühjahr und Weihnachten stattfinden, denn zu Weihnachten sind die Leute abgebaut und im Frühjahr wieder aufgenommen worden. Anders ist das nicht gegangen, denn du hast eine gewisse Zeit gebraucht, bis du die neuen Sachen entwickelt und vorbereitet hast. Diese "ruhigere" Nachdenkpause war sehr wichtig.

Gab es ein festes Händlernetz?

Ja, das hatten wir schon. Und Großhändler natürlich auch. Aber wenn du mich heute fragst, wer die alle waren, so weiß ich das auch nicht mehr. Die Großhändler haben die Apparate natürlich billiger als die Kleinhändler bekommen, sie haben ja auch mehr bestellt. Die Einzelhändler hatten nur den normalen Rabatt und ev. Kassaskonto, wenn sie gleich bezahlt haben.

War ein Materiallager oder ein Fertigwarenlager im Haus?

Ja. Das Materiallager war ein kleiner schmaler Raum, ca. 3 x 6 Meter. Ein Auslieferungslager hat es in dem Sinn nicht gegeben, zur Zwischenlagerung wurde ein Vorraum verwendet. Es war meistens so, dass wir gerade mit der Erzeugung nachgekommen sind und die Apparate gleich wieder weg gingen. Auf Vorrat haben wir nie erzeugt, weil die Nachfrage dann doch immer wieder nachgelassen hat und das schon angesprochene Geldproblem immer akut war.

Jetzt zum Thema "Stückzahlen" ......

Das ist schwierig, denn damit hatte ich nichts zu tun. Ich glaube, die größte Stückzahl hatte der UB 63, der Junior. Da haben wir den "1000-er" gefeiert, da bin ich mir sicher. Vom Piccolo haben wir auch sehr viel gehabt, aber wenn du mich jetzt erschlägst, ich weiß es nicht mehr. Generell würde ich sagen, im Schnitt so um 1000 herum.

Wurde das Material beim Großhändler oder beim Hersteller bezogen?

Beim Hersteller. Röhren entweder von Tungsram oder Philips, Widerstände und Kondensatoren von Ingelen und die Sockeln und diese Sachen sind auch irgendwie beim Erzeuger bestellt worden, welche das waren, weiß ich nicht mehr. Die Chassis haben wir einige Zeit zum Teil selbst gemacht und wie wir dann mit dem Kunststoff angefangen haben, war es dann die Fa. Beran. Die hat uns ja schon die Prüfklemmen gemacht und dann auch die Kassette vom "Bambi". Bei den späteren Tonmöbeln mit den Fernsehern haben wir aber dann hin und wieder auch Abverkaufsrestposten von Philips-Chassis über Großhändler bezogen.

Der Weg vom Mustergerät bis zur Serienfertigung.....

Na ja, wie gesagt, zuerst mussten wir immer wissen, wie groß der Apparat von den Bestandteilen her wird. Natürlich wollten wir dabei immer so klein wie möglich bleiben. Über den Rest haben wir schon gesprochen.

Wie viele Mitarbeiter hat es gegeben?

Zur besten Zeit, so ab 1952, waren es ca. 30. Das war, wie wir mit dem UB63, dem Junior, begonnen haben. Die, die gelötet haben, sind meistens zu Weihnachten gegangen und wurden dann im Frühjahr, wie wir das neue Gerät gehabt haben, wieder geholt. Normalerweise haben sechs geschaltet, einer hat abgestimmt, einer hat neue defekte Geräte repariert, einer hat kassettiert und dann war da noch die Überprüfung. Man kann sagen, mit der Erzeugung waren ungefähr 10 bis 12 Personen beschäftigt. Dann war da noch das Lager, das war die Frau Fröschl, die das ganze Material, das zur Erzeugung notwendig war, ausgegeben hat. Zwei waren für laufende Reparaturen zuständig und einer für die Mechanik, also Dreharbeiten usw. Wir haben nämlich selbst Sachen gestanzt und gepresst, auch Drehteile mussten gemacht werden. Wie ich schon vorher gesagt habe, waren dann noch die Ingenieure, der Herr Bräuer und die Frau Zinner, die später von der Frau Gumpinger abgelöst wurde.

Gab es ehemalige Mitarbeiter von Zerdik im Unternehmen?

Nur einen einzigen, einen Herrn Olschbauer, der bei Zerdik u. a. die Spulen gemacht hat. Von ihm habe ich sehr sehr viel gelernt. Er war aber nicht sehr lange da, er hat sich dann irgendwo selbständig gemacht. Er ist gleich zu Beginn in die Firma gekommen, so zwischen 1943 und 1945. Wie ich aus der Gefangenschaft zurück gekommen bin, war er schon wieder weg.

Wie war das mit den Prüfklemmen?

Die "Uridee" war nicht von uns, sondern von einem Kunden, der eines Tages hereinkam und fragte, ob wir so etwas machen könnten. Ich glaube, er war bei der Post beschäftigt. Er ist dann auch noch öfter gekommen, hat aber nie irgend etwas gesagt, er möchte da mitreden, weil die Idee von ihm war. Wir haben das einfach umgesetzt und erzeugt.

Die Kunststoffteile für die Prüfklemmen hat zuerst eine Firma im 10. Bezirk gemacht, von der ich den Namen vergessen habe, später dann die Firma Beran. Die Druckfedern hat die Fa. Klinger im 10. Bezirk hergestellt. Für die ersten Klemmen wurden Wellen verwendet, so wie für Tachometer. Da hat man die Seele herausgezogen und dann wurde eine Messinghülse aufgepresst. Überzogen wurden sie mit fertigen Schläuchen, die man im heissen Wasser dehnbar gemacht hat. Sie wurden dann aufgeblasen und aufgezogen. Eine Wahnsinnsarbeit, mörderisch bei der Erzeugung.

Ich habe das später dann vereinfacht und eine Feder gemacht, von dünn bis auf die Breite, wo vorne der Greifdraht herauskommt. Auf diese Feder, die in einem war, konnte der Schlauch ohne Erwärmung einfach aufgezogen werden. Zum Dehnen habe ich etwas ganz Einfaches konstruiert, ein Messingrohr in bestimmter Stärke, in das der Schlauch hineingesteckt und vorne, wo er breiter war, dann über einen Dorn gedehnt wurde. Die Fa. Beran hat die Spritzteile gemacht. Die wurden zuerst eingeklebt, ich habe aber das dann anders gemacht, so dass man die Teile zusammen stecken konnte.
Anfangs hat es ja nur die Klemme mit zwei Greifarmen gegeben, ich habe dann eine mit drei gemacht und schließlich eine für Printplatten, wo Messstifte heraussen waren. Die war aus einem kompakten Blech mit einem Loch in der Mitte. Sie hat sich aber nicht sehr bewährt.

Verkauft haben wir die Klemmen in die Schweiz, nach Frankreich und sogar bis nach Amerika. Nach Deutschland nicht, weil dort die Fa. Hirschmann unser direkter Konkurrent war. Die haben unsere Klemme in einer etwas anderen Form kopiert. Die hatten einen anderen Haken. Deshalb haben wir unsere beiden nachfolgenden Klemmen auch patentieren lassen. Da ist viel über einen Großhändler gegangen, der gute Verbindungen nach Frankreich hatte. Der hat uns 4000 oder mehr an Klemmen verkauft. Das waren Riesenaufträge und außerdem war er ein guter Zahler, er hat immer gleich bar bezahlt. Bei der Lieferung haben wir einen Scheck bekommen, den wir immer gebraucht haben. In die Schweiz haben wir direkt verkauft. In Österreich war einer unserer Hauptabnehmer die Post.

1986, als wir gesehen haben, dass das Geschäft finanziell nicht mehr zu halten war, haben wir die Klemme dann der Fa. Beran gegeben.

Es gab einen sogenannten "Konzertverstärker", über den in Zeitungen zu lesen war, von dem ich allerdings nichts gefunden habe .....

Das war so um 1955 und das war auch so etwas, was sich nicht bewährt hat. Wir haben einen dieser Verstärker gebaut, aber nicht erzeugt. Da ist einer gekommen, der wollte Filme vertonen und der hat einen Verstärker gebraucht, um ihn dann einem kleineren Privatpublikum vorzuführen. Es kann sein, dass er auf der Messe ausgestellt war. Ich erinnere mich noch, er hatte eine Gegentaktendstufe und war ziemlich kräftig. Vorgesehen war er als Hauptverstärker. Eine Prototype, nichts Besonderes.

Namensgebung: Es gab auch einen "Boccaccio" von Philips oder einen "Mirabell" von Ingelen. Hat sich da niemand aufgeregt?

Nein, eigentlich nicht, das war egal. Es war immer irgendwie schwer, neue, gute Namen zu finden. Wir haben nur die eine Sache mit dem "Bambi" gehabt (der musste wegen der Namensgleichheit mit der Disney-Figur in "Cheri" umbenannt werden), aber sonst eigentlich nichts. Oder doch, vorher haben wir uns den Namen "Darling" schützen lassen. Da war dann irgend etwas mit dem "Darling-Sekt", genaues weiß ich nicht mehr.

Thema UHF-Tuner:

Der erste war ein Röhrentuner, der zweite ein Volltransistorengerät. Den Röhrentuner haben wir selbst gemacht, den Transistor nicht, da haben wir die Teile aus Deutschland bezogen und sie nur zusammengebaut. Aber das hat sich alles nicht gut verkauft.

Tonmöbel:

Die Idee war usprünglich von einem Herrn Tschirk, der die Fa. Comet hatte. Er war aus Lichtenwörth, hat sich mit diesen Dingen beschäftigt und ist dann zu uns gekommen, um den Einbau der technischen Geräte zu lösen. Die Tonmöbel sind auch vom Herrn Schneider entworfen worden und wir haben dann auf Bestellung die Technik eingebaut. Das waren ja manchmal riesige Wandverbaue. Die Möbel haben wir dann auch auf unserem Messestand ausgestellt. Der Tischler kam von Herrn Tschirk und war auch aus Lichtenwörth.

Die Chassis für die ersten Fernseher waren von der deutschen Firma Kuba und die Radiochassis von Philips oder Horny. Die haben wir nicht selbst gemacht. Weil wir das Aggregat nicht hatten, habe ich das mit einem Kanalwähler von Philips gekoppelt. Kapsch-Geräte waren da nicht drinnen, auch wenn sie auf Prospekten draufstehen sollten. Es waren Stereogeräte von Philips. Bei den Fernsehern war die Bildröhre auch von Philips, die Lautsprecher waren damals noch von der Fa. Richter, glaube ich. Später dann auch von Philips oder anderen Firmen, wir haben alles genommen. Es hat immer wieder Abverkäufe von Philips gegeben, z.B. von Chassis, die ihnen übriggeblieben sind. Die hatten dann die Großhändler und von denen haben wir sie dann wieder gekauft. Der "Zehetner-Fernseher", den du mir da auf dem Prospekt zeigst, hatte ein Chassis von Kuba, die Lautsprecher von Richter und der Rest war von Philips.

Wurde auch ins Ausland exportiert?

So viel ich weiß, nicht. Die Prüfklemmen natürlich ausgenommen.

Wer war die gefürchtetste Konkurrenz?

Konkurrenz waren alle. Niemand speziell. Den Todesstoß haben wir von den großen Firmen bekommen, wie die begonnen haben, auch kleine Apparate zu erzeugen. Wie wir '53 mit dem Piccolo heraus gekommen sind, waren wir in dieser Art die "Kleinsten", es war damals nur noch der Siemens da, die hatten einen noch kleineren, aber der ist nicht so gut gegangen. Da waren wir besser. Dann natürlich haben sich alle darauf geschmissen. Da sind der Minerva, Ingelen Philips, Horny und all die Anderen gekommen und die waren natürlich alle viel größer als wir. Die sind finanziell alle auf mehr Beinen gestanden und wir und die haben uns preislich fertiggemacht. Zuerst waren wir ganz allein, aber dann war es schlimm.

Gab es Sonderkonstruktionen für Sonderaufträge?

Eigentlich nicht. Das Einzige, das mir dazu einfällt, ist die Gegensprechanlage Duophon. Da haben wir eine mit 6 Sprechstellen für den damaligen Innenminister Helmer gemacht.

In unserer Band spielte ich Gitarre über einen Verstärker mit dem Namen "Raumklang". Können Sie sich noch daran erinnern?

Ja, den habe ich gemacht. Aber da habe ich nur den einen gemacht, für euch, weil ihr da drüben gespielt habt. Wenn du jetzt sagst, er hat nicht so gut geklungen, er hat verzerrt, werden die Eingänge nicht so optimal gewesen sein. Das tut mir Leid, er hätte wahrscheinlich eine Stufe mehr gebraucht, es war ein Transistorenverstärker. Aber du hättest ja nur kommen brauchen, das hätten wir ja machen können. Übrigens, die Lautsprecher für die Boxen der Gesangsanlage hat auch der Richter gemacht.


Zum Abschluss eine Vision: Wenn es den finanziellen Rückschlag durch die Unterschlagungen des Vertreters am damaligen Höhepunkt 1953 mit dem "Piccolo" nicht gegeben hätte, wie hätte es weitergehen können?

Nicht schlecht, würde ich sagen. Geplant war die Vergrößerung der Firma nach dem Vorbild von Stuzzi und Hea. So eine Art kleiner Fabrik mit großen Erzeugungsräumen. Der Egerer hatte die Räumlichkeiten dafür in der Josefsgasse im 8. Bezirk schon gefunden. Das ist dort beim "Englischen Theater" und es war von uns nur zwei Gassen entfernt. Ja, zu dieser Zeit waren wir eigentlich zu dritt. Der Stuzzi hat die Magnetophone und der Hea die Autoradios und auch Radios gemacht. Wir waren eigentlich auch soweit, die Geschichte ist ja großartig gelaufen. Einmal war ich kurz dort, es waren riesige Räume. Ja, diese Vergrößerung war ernsthaft im Gespräch. Schade.


Hätten Sie noch ein Schlusswort?

Ja. Ich war faktisch von meinem 14. Lebensjahr bis zu meiner Pensionierung in der Firma und muss sagen, dass ich immer gerne hingegangen bin. Es war wie ein Abenteuer, wobei ich natürlich nach der "Flucht" der Herren Ingenieure alleine große Freiheiten und Möglichkeiten hatte. Ich hatte damals genau das, was ich wollte und konnte Leute nicht verstehen, die ungern arbeiten gingen. Zu deinem Vater hatte ich ein ganz besonderes Verhältnis, wir verstanden uns immer ausnehmend gut, er war immer großzügig und hat mir in jungen Jahren, als ich noch frisch in der Firma war, einmal durch seine Menschlichkeit wahrscheinlich das Leben gerettet, als er mich bei einer Sache, die ich voll unterschätzt hatte, "mit Gewalt" ins Spital bringen ließ. Ich dachte, es wäre mir nur schlecht, aber es war ein Blinddarmdurchbruch, wie sich dann herausstellte. Ich lasse auf deinen Vater nichts kommen, genauso wie er auf mich nichts hätte kommen lassen. Es war eine wirklich schöne Zeit für mich, ich denke gerne daran zurück".

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