Persönliches

Ich habe lange überlegt, ob ich dieser Webseite etwas Persönliches mitgeben soll und ich habe mich dann eindeutig für "ja" entschieden. Viele Erinnerungen hängen daran, die der reinen Aufzählung der Geräte etwas Leben einhauchen und die ganze Geschichte transparenter machen. Mein Bruder und mich haben natürlich vieles, auch die die Dinge hinter den Kulissen, mitbekommen.


Die Angestellten der Firma waren immer äußerst nett zu uns und nicht nur, weil wir die "Kinder vom Chef" waren. Wir hätten es bemerkt. In den 50ern und 60ern war es wirklich fast "familiär". Wir gingen ein- und aus und arbeiteten machmal bei größeren Prüfklemmen-Aufträgen mit.

Die Firma war sein Leben, aber mein Vater schaffte es, die Familie dabei nicht zu kurz kommen zu lassen. Sehr praktisch war für ihn, dass wir im ersten Stock über dem Geschäft wohnten. Ursprünglich wollte er diese Wohnung gar nicht, die Hausverwaltung hatte ihn zu der Zeit, als er sein Geschäft eröffnete, mit guten Konditionen dazu überredet. Bereits Legende sind die Fussballspiele zu dritt im Vorzimmer, die uns eine Androhung der Kündigung einbrachte und die sonntäglichen Fussball-Nachmittage auf der Jesuitenwiese im Wiener Prater. Als ehemaliger Tormann in Rapid-Nachwuchsmannschaften kümmerte er sich auch sehr um mich in meiner "Schüler"- und "Jugend"-Zeit beim Wr. Sportklub.

Er war Techniker mit Leib und Seele und hatte das große Glück, zur richtigen Zeit die richtige Chance zu bekommen, etwas zu bewegen. Alles Technische interessierte ihn. Jede technische Neuerung hatten wir sofort in der Wohnung und selbstverständlich hatten wir auch schon einen Fernseher, als es erst das Testbild gab. Ich erinnere mich auch noch genau, wie er in den späten 60-ern eines Nachmittages ganz aufgeregt in die Wohnung heraufkam und mir ein kleines Gerät zeigte, das er mit der Bemerkung: "Es ist unglaublich, was die Leute alles erfinden und wofür man einen Fernseher brauchen kann" hinten an den Antenneneingang des Fernsehers anschloss. Es war "Pong", das "Ur-Computerspiel", bei dem tennisartig ein Ball gespielt werden musste. Er nahm leider das Gerät gleich wieder mit und brachte es nicht mehr wieder.

Völlig überrascht fanden wir bei der Durchsicht der "Firmenreste" eine Patenturkunde mit dem Datum 10. Jänner 1958 (Nr. 194263). Überrascht deshalb, weil er uns nie davon erzählt hatte. Die Erfindung betrifft ein Verständigungsgerät für schwere LKWs, das dem Fahrer vom Lenkersitz aus ermöglicht, nachfolgenden Kraftfahrzeugen grünes Licht zum Überholen zu geben. Eine vom Scheinwerferlicht des nachfolgenen KFZ bestrahlte lichtempfindliche Halbleiterzelle gibt ein Signal (Lampe, Summer ...) ins Führerhaus des LKWs. Damit der nachfolgende PKW weiß, dass die "Anfrage" weitergeleitet wurde, gibt es gleichzeitig mit dem Signal vorne in Führerhaus ein gelbes Licht hinten am LKW. Der LKW-Fahrer kann dann über einen Handschalter die "Überholerlaubnis" mittels grünem Licht (limitiert auf 5-10 Sekunden durch ein Zeitrelais ) an der Rückseite des LKWs oder Anhängers geben. Das Zeitrelais unterbricht zugleich den Stromkreis der lichtempfindlichen Halbleiterzelle und stellt so den Ausgangszustand wieder her.

Technische Möglichkeiten zu erforschen, auszureizen, zu probieren, neue Ideen einzubringen: Das war sein Spielfeld, das er so liebte. Und er hatte den richtigen Partner dafür: Herrn Ing. Jauernik, der ihn kongenial ergänzte und ohne den die Firma wahrscheinlich nicht so bekannt geworden wäre. Ing. Jauernik war ein genialer Ideenumsetzer, ein Tüftler mit unglaublichem praktischen Verstand, der mir (als ich schon älter war und die Dinge besser einschätzen konnte) die höchste Anerkennung abrang. Zu ihm konnte man mit jedem Problem handwerklicher und technischer Art kommen, er wußte immer alles und er hatte mit seinen Ratschlägen immer Recht. Man kann ihn reinen Gewissens wirklich als die "Seele" der Firma bezeichnen.

Ein Gespräch mit ihm über seine Erinnerungen finden Sie hier.


Mein Vater war begeisterter Autofahrer und hatte immerhin die Nummer W 9.302 (damals wurden die Nummern der Reihenfolge nach ausgegeben). Er fuhr auch gerne schnell, man sagte damals "sportlicher Fahrer". Im Vergleich zu heute gab es damals ja auch "keinen Verkehr". Und da gibt es eine kleine Geschichte:
Jedes Mal, wenn er am letzten Messetag nach Hause kam, brachte er der Famile ein großes Stück Leberkäse im Ganzen mit. Und er wußte, dass alle schon darauf warteten. Wir hatten ein kleines Sommerhaus mit Garten in Höflein/Donau, an der Franz-Josefs-Bahn, zwischen Klosterneuburg und Greifenstein, wo wir immer in den Sommerferien wohnten und im übrigen Jahr auch an den Wochenenden draußen waren. Zur Zeit der Herbstmesse war ich gerade im Garten, als ich lauten Motorenlärm schnell fahrender Autos und quietschender Reifen hörte. Mein Vater bremste sich vor dem Garten voll ein, hinter ihm ein Gendarmerie-Auto mit Folgetonhorn und Blaulicht. Ein Freund erzählte mir später, er habe beobachtet, wie mein Vater wie ein Rennfahrer "auf zwei Reifen" die Kurven genommen hätte, verfolgt von der Gendarmerie. Mein Vater meinte später diplomatisch, "er habe die Gendarmen überhaupt nicht gesehen". Es passierte ihm aber nichts, denn gerade als die Beamten aus dem Wagen steigen wollten, bekamen sie einen Funkspruch, der sie unverzüglich weiterfahren ließ. Auf die Frage meiner Mutter, ob das notwendig gewesen wäre, sagte er nur: "Ich wollte doch nur den Leberkäse warm nach Hause bringen". Aber das leichte Grinsen in seinem Gesicht entlarvte ihn doch als "sportlichen Fahrer".

Eine gewisse Art von Herausforderung brauchte er. Dazu passt auch die "Schigeschichte". Als er meine Mutter kennen lernte, verbrachten sie eine Schiwoche in Tirol. Gleich am ersten Tag engagierte meine Mutter einen Schilehrer für eine anspruchsvolle Tour. Mein Vater, der sich aus Imagegründen bis dahin nicht als gröbster Anfänger zu erkennen gegeben hatte, ging selbstverständlich ohne ein Wort zu sagen mit. Sie stiegen mit Fellen auf und als es zur Abfahrt kam, schickte er die beiden voraus. Im Tal warteten sie vergeblich auf ihn und wollten schon die Bergrettung alarmieren, als er plötzlich angefahren kam. Um sicher herunter zu kommen, war er einfach mit den angeschnallten Fellen abgefahren und hatte dem entsprechend lange gebraucht.

Bei einer Fahrt von Höflein nach Wien zurück gab es plötzlich ein Gebrechen bei der Gangschaltung. Der Wagen ließ sich nicht mehr schalten, der 3. Gang war drinnen. Er dachte aber überhaupt nicht daran, den Wagen stehen zu lassen, sondern fuhr weiter und schaffte es, durch taktisch richtiges Ampelfahren (er musste so geschickt die Geschwindigkeit wählen, um immer bei "Grün" durchzukommen) über 20 km ohne anzuhalten bis in die Neudeggergasse im 8. Bezirk zu kommen, wo er dann den Wagen in seiner Garage abstellte. Dafür bewundere ich ihn noch heute.

Ab der dritten Klasse Volksschule hatten wir den Gegenstand Handarbeit. Ein harter Brocken für mich, ich hatte damals überhaupt keinen Bezug dazu (nicht ahnend, dass mich später das Schicksal zum nicht ungeschickten Hausbauer werden ließ). Ich überlegte, wie ich die Situation retten könnte, denn sonst war ich ein sehr guter Schüler und wollte mir das Zeugnis nicht verderben. Da hatte ich die geniale Idee: "Die Werkstatt" sollte statt mir arbeiten. Meinem Vater war das egal, er delegierte die Sache einfach. In der Werkstunde selbst schummelte ich mich über die Zeit und nahm dann das Werkstück immer mit nach Hause, um dort "weiter zu arbeiten". Die Werkstatt (wer immer es auch gewesen sein mag, wahrscheinlich aber der arme Herr Jauernik) arbeitete gut und so kam ich bequem zu einem weiteren "Einser".
Diese "Schuld" habe ich insoferne abgebaut, weil mein jüngerer Sohn mit genau dieser genialen Idee (ohne davon gewusst zu haben) seine Werkstücke bei mir bauen ließ. Und da habe ich auch auf jede Arbeit einen "Einser" bekommen.

Anfang der 60-er Jahre griff so ziemlich jeder Zweite zur Gitarre, um zu einem "Beatle" oder "Stone" zu werden, so auch mein Bruder und ich. Als wir dann die ersten Bands formierten, wurde uns sehr zum Leidwesen des direkt daneben wohnenden Hausmeisters gestattet, das kleine Bürolokal in der Neudeggergasse am Sonntag Vormittag als Proberaum zu verwenden. Die enorme Lautstärke riss ihn immer aus dem Bett und hinderte ihn daran, seinen Rausch vom Vortag auszuschlafen. So kam er meistens (immer noch betrunken) zur Tür und beschimpfte uns grob.

1966 - Faschingsball Pfarre St. Stephan, Wien 1
Franz Zehetner jun. (Mitte), Kurt Zehetner (rechts)

Natürlich stellte sich auch die Frage nach dem Equipment. Meinem Vater gefiel diese "Katzenmusik" überhaupt nicht, aber die Herausforderung und der Techniker in ihm war stärker: "Die Werkstatt" (= Herr Jauernik) baute uns Verstärker. Genauer gesagt eine Gesangsanlage mit 4 getrennt regelbaren Eingängen, Bass- und Höhenregelung, Eingang für Hallgerät sowie Mastervolume. Dazu eine sehr gut ausgeführte Lautsprecherbox. Die Anlage war stark genug und hat uns lange begleitet. Nicht so lange allerdings der Gitarrenverstärker, den sie mir bauten. Für die Lieder dieser Zeit war er fast nicht zu gebrauchen, da mein damaliger ganzer Stolz, eine weiße Hagström E-Gitarre mit drei Tonabnehmern, mit diesem zu schwachen Verstärker einen mörderisch verzerrten Sound erzeugte. Hätten wir diese Chance erkannt, wäre die Firma (und wir?) in die Rockgeschichte eingegangen, denn erst Jahre später machten Verstärker der englischen Firma Marshall mit diesem Sound Furore.

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